Montag, 26. Dezember 2011

2. Weihnachtsfeiertag 2011 Geschichten zum Vorlesen:" Wie ich einen grandiosen Aufsatz schrieb"



Ich muss ungefähr neun Jahre alt gewesen sein, da behandelten wir im Deutschunterricht das Thema: Metapher.
Ich zitterte wie Espenlaub oder mir lief es kalt den Rücken runter waren Beispiele, wie man Gefühle darstellen konnte. Gefühle waren schon damals ein großes Thema für mich. Der eine hat sie und der andere nicht, so meine damalige Vermutung. Ich hatte sie und zwar viel mehr und ausgefallener als andere, soweit meine Schülertheorie.
Es kam der Tag, an dem das Thema Metapher  mit einem Aufsatz abgeschlossen werden sollte. Aufsätze bereiteten mir nun gar keine Angst. Ich hatte genug Fantasie und konnte relativ fehlerfrei schreiben. Bis heute ist mir schleierhaft, wie man so etwas nicht beherrschen kann und warum meine Mitschüler Angst davor hatten. Ganz leicht konnte man hier, ohne zu pauken, eine sehr gute Note bekommen.
"Alles vom Tisch...", so lautete der Slogan der Lehrerin zu Beginn der Stunde, als sie unsere Aufsatzhefte austeilte.
Und dann schrieb sie das Thema an die Tafel: “Wieder etwas vergessen!“.
Ich regte mich augenblicklich innerlich auf und bekam einen Blackout, in meinem Kopf war nur noch Leere. Was bitte war denn das für ein bescheuertes Thema?
Als Streberin vergaß ich nie etwas sondern packte jeden Abend sorgfältig meinen Ranzen. Da passten meine Eltern schon auf, denn beide waren selbst Lehrer.
Tumb schaute ich in der Gegend herum und hörte die Füller meiner Mitschüler emsig übers Papier kratzen. Das war klar, denen allen fiel  etwas ein.
Reiß dich zusammen, diesen Aufsatz versemmelst du nicht, sagte ich mir und wenn dir keine wahre Begebenheit einfällt, erfindest du eben eine. Ich grübelte.
Die Lehrerin hatte einige Beispiele vorgegeben und diese schwirrten mir nun im Kopf herum. Man konnte sein Frühstück vergessen oder sein Pionierhalstuch aber das schlimmste aller vergessenen Dinge waren für mich die Hausaufgaben. Es gab für mich nichts katastrophaleres, als in so einem Fall mit rotem Kopf in der Schulstunde zu sitzen und Angst davor haben zu müssen, kontrolliert zu werden.
Ich hatte mein Thema. Über vergessene Hausaufgaben schrieb ich und an der Stelle, bei der ich in der Schulstunde erwischt wurde, fiel mir eine famose Metapher ein. Natürlich war die nicht Nullachtfünfzehn. Nein, ich dachte mir selber etwas aus, und das war absolut überragend. Ein überaus schreckliches Gefühl, wie es die Welt bis dato noch nicht gelesen hatte, dargestellt mit einer grandiosem Metapher.
Mit einem guten Gefühl gab ich meinen Aufsatz ab, die Note eins war mir sicher.
Eine Woche später gab es die Aufsätze zurück. Der Stapel Aufsatzhefte mit den roten Umschlägen prangte majestätisch auf dem Lehrertisch. Lässig warf ich mich in Schülerpose, jaaa da lag meine Eins, mit diesem Aufsatz hatte ich wieder einmal geglänzt und mit hundertprozentiger Sicherheit war er der beste von allen.
Die Aufsätze wurden ausgeteilt und die Noten angesagt. Bei jeder Note, schlechter als zwei, grinste ich fies. Wie kann man so doof sein und das verreißen. War doch leicht.
Üblich war, das der beste Aufsatz zum Schluss ausgegeben wurde und zudem vorgelesen. Alle sollten sich daran ein Beispiel nehmen und lernen, wie man das vorgegebene Thema richtig und kreativ umsetzt.
Natürlich, alle hatten mittlerweile  ihren zurück, nur noch meiner war übrig geblieben. Es war klar, ich hatte es gewusst, mein Aufsatz war der Beste und sollte zugleich vorgelesen werden.
Als die Lehrerin ihn mit spitzen Fingern anfasste, beschlich mich ein unbehagliches Gefühl. Oh ja, ich hatte Gefühle und die sagten mir gerade, dass etwas komisch war.
Und dann kam der pädagogische Einleitungssatz der Lehrkraft: „Ich lese euch jetzt einen ganz besonderen Aufsatz vor.“ Mir wurde es immer komischer und so wie ich mich vor wenigen Sekunden noch gefreut hatte, so wäre ich jetzt am liebsten verschwunden. Eine Stecknadel hätte man fallen hören können, so nervenzerfetzend war die Spannung als das Vorlesen begann.
Ungefähr so begann mein Text:
An einem Dienstag, Anfang April bin ich mit guter Laune zur Schule gegangen. Diese gute Laune hielt ganz genau bis zur dritten Stunde an. Dann begann die Vierte, es war Mathematik. Der Mathelehrer begann seine Stunde mit folgendem Satz: "Wir beginnen mit der Kontrolle der Hausaufgaben und ich rufe die Schüler auf, die sie vorlesen werden“.
Soweit war alles gut, meine Mitschüler nickten zustimmend und vollzogen mit mir gedanklich den Verlauf besagter Mathestunde. Die Lehrerin machte eine Pause, holte tief Luft und las weiter.
"Hausaufgaben? Hilfe, ich habe völlig vergessen, sie zu machen. Als ich das feststellte wurde ich grün und blau am ganzen Hintern.“
Da war sie, meine grandiose, absolut kreative und einzigartige Metapher. In der Klasse herrschte sekundenlange Stille. Eines war klar, alle waren überwältigt, nur leider anders als ich es mir gewünscht hätte. Ein ohrenbetäubendes Gelächter prasselte auf mich nieder. Meine Mitschüler trommelten auf die Tische und taten so als ob sie sich die Hose runterzogen. Die Lehrerin lästerte und fragte: „Sag doch mal, wie du das festgestellt hast? Hat dein hinter dir sitzender Mitschüler nachgeschaut?“
Ich schämte mich abgrundtief, mein Kopf leuchtete rot, wie eine Ampel und meinen grandiosen Vergleich fand ich auf einmal doof.
Unter der Grasnarbe bin ich dann nach Hause gekrochen.
Mit einer Vier für den Aufsatz in der Tasche musste ich bei meinen Eltern zur Unterschrift antreten. Ich habe alles erzählt und sie haben mich nicht ausgelacht. Zum Glück haben sie mich getröstet und konnten meiner Metapher noch etwas Gutes abgewinnen. Monatelang war mein neu kreierter Vergleich in unserer Familie ein geflügeltes Wort und musste bei jeder Situation herhalten. 
Das hat mir gezeigt, dass nicht alle meine Ideen immer gut sind, manchmal sind sie einfach nur verrückt aber mit etwas Humor kann man sie doch noch gebrauchen.

 
Das bin ich in der 1. Klasse, daneben ein originales DDR Schulheft.

4 Kommentare:

  1. Och, das ist ja süß :) Da war es doch ein ganz schönes Weihnachtsfest? :)
    Freut mich für dich ♥
    Ja das Notizbuch benutz ich auch fast jeden Tag. Wie hast dus denn gestaltet?

    AntwortenLöschen
  2. Ja klar war schön. Ich grüße dann mal aus Holland, momentan. Wenn du das Notizbuch sehen willst, dann schau in meinen Adventskalender: http://clarice39.blogspot.com/2011/12/20-das-zwanzigste-turchen-mein.html
    Liebe Grüße
    clarice

    AntwortenLöschen
  3. Oh diese Geschichte ist so unglaublich süß!!! Ich habe gerade richtig mit Dir gelitten. Da war mein Schlusssatz im Aufsatz ja noch richtig gediegen! Ich war immer mehr der Bericht-Typ und so endete mein Aufsatz über Rapunzel mitten im Ablauf mit: "Und den Rest kann man sich ja leicht selber denken!" hihi, find ich heute noch genial!

    Liebe Grüße .... und den Rest kannst Du Dir ja leicht selber denken .... keto :-D

    AntwortenLöschen
  4. hihi, sehr cool. den schlusssatz merk ich mir, der gefällt mir richtig gut.
    liebe grüsse
    clarice

    AntwortenLöschen